Fotostrecke & Veranstaltungsbericht

Rohstoffe - Fluch und Segen zugleich?

Internationale Rohstoffpolitik: Wer profitiert – welche Alternativen gibt es? So der Titel und die zentrale Frage des 26. Forums FH am 17. Oktober 2016 im BFI Wien, anlässlich der Erscheinung des neuen HSK-Bandes „Rohstoffe und Entwicklung: Aktuelle Auseinandersetzungen im historischen Kontext“.

 

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Warum und wie können rohstoffreiche Länder (nicht) vom aktuellen Ansturm auf Rohstoffe profitieren? Um diese Frage zu diskutieren, luden der Mattersburger Kreis, die FH des BFI Wien, die Österreichische Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE) und das Vienna Institute for international Dialogue and Cooperation (VIDC) ein. Karin Küblböck (ÖFSE), Autorin eines Buchkapitels zum Thema „Internationale Rohstoffpolitik im Wandel“, Martina Neuwirth (VIDC), Expertin für Steuervermeidungsstrategien internationaler Rohstoffunternehmen, Wolfgang Ernst, Experte für Strategieentwicklung der OMV sowie Johannes Jäger, Vorstandsmitglied des Mattersburger Kreises und Professor an der FH des BFI Wien, diskutierten auf Grundlage des neuen HSK-Bandes mit den rund 150 VeranstaltungsbesucherInnen. Ulla Ebner (Radio Ö1) leitete als Moderatorin durch den Abend.

 

Rohstoffe – seit jeher Grund für Auseinandersetzungen

 

Um aktuelle Entwicklungen der Rohstoffpolitik zu verstehen, brauche es ein grundlegendes Verständnis für den historischen Kontext. Der neue Band der Reihe „Historische Sozialkunde / Internationale Entwicklung“ biete in seiner transdisziplinären Herangehensweise ein solides Fundament dafür, führte Johannes Jäger ein. Es thematisiere die ungleichen Beziehungen zwischen globalem Norden und Süden, zwischen RohstofflieferantInnen und -abnehmerInnen und mache deutlich, dass sie direkt mit unserer historisch gewachsenen imperialen Lebensweise verknüpft sind – man denke nur an die Zeit des Kolonialismus. Schon in den 1970er Jahren haben gute Rohstoffpreise zu der Hoffnung verleitet, dass Länder sich durch Rohstoffreichtum „entwickeln“ könnten. Mit dem Preisverfall und den Lasten der Strukturanpassungsprogramme rund ein Jahrzehnt später, habe sich diese Hoffnung, ebenso wie die Verhandlungsmacht der rohstoffreichen Entwicklungsländer, jedoch zerschlagen. Stattdessen habe sich in den 1990er Jahren die zunehmende Privatisierung und Liberalisierung des Handels ausgeweitet. Das Ergebnis dieses Prozesses zeige sich heute in der, weiterhin von unverarbeiteten Rohstoffen dominierten und damit geringen Wertschöpfung der sogenannten „Entwicklungsländer“.

 

Neue AkteurInnen, veränderte Verhältnisse

 

Eine wesentliche Quelle der strukturellen Änderungen der Rohstoffmärkte in den 2000er Jahren sei die veränderte Akteurskonstellation durch den Eintritt der erstarkenden Wirtschaftsmacht China, führte Küblböck fort. Mit seiner wachsenden Nachfrage konkurriere das Land mit den bis dahin dominierenden Mächte USA und EU um den Zugang zu Ressourcen, kommentierte sie den Status Quo des globalen Rohstoffmarktes. Gleichzeitig habe dieses Kräfteringen erneut zu vermehrten Bemühungen in „Entwicklungsländern“ geführt, um mit Rohstoffen ihren Entwicklungsmotor zum Laufen zu bringen, so Küblböck.

 

Was weg ist, ist weg

 

Da Rohstoffe, einmal verkauft, keine weitere Einnahmequelle bieten, spiele ihre Besteuerung für rohstoffreiche Länder eine wesentliche Rolle, um Profite abzuschöpfen, betonte Martina Neuwirth daraufhin. Dafür brauche es gute Verhandlungen zwischen Unternehmen und Ländern und hierfür wiederum stabile staatliche Strukturen. Denn nicht nur die Rohstoffe selbst erschöpfen sich, auch Gewinne von Unternehmen verschwinden häufig in Steueroasen – und das teilweise auf legalem Weg. Länder seien daher häufig in der Zwickmühle, bieten „Steuerzuckerl“ doch einen wichtigen Anreiz, um Unternehmen ins Land zu locken. Das führe zur Frage, so Johannes Jäger, ob und wie sich für die Rohstofflieferanten im globalen Süden Vorteile ergeben könnten. Einige Länder Lateinamerikas hätten gezeigt, wie Umverteilung der Rohstoff-Einnahmen in Sozialprojekte funktionieren können. Dass diese Einnahmen darüber hinaus für die Diversifizierung der Wirtschaft eingesetzt wurden, um die Abhängigkeit vom Rohstoffsektor abzubauen, sei bisher aufgrund der globalen Strukturen, die diese Länder daran hindern, aktive Industrialisierungsprozesse voranzutreiben, kaum passiert.

 

(Un)mögliche Alternativen

 

Über mögliche alternative Ansätze zu diesem scheinbar festgefahrenen Rohstoff-Gerüst wurde in der letzten Diskussionsrunde gesprochen.
Für rohstoffreiche Länder ginge es darum, führte Karin Küblböck aus dem bisher gesagten zusammen, dass die Rohstoffe mit mehr Wertschöpfung verbunden werden, durch Verarbeitung und höher qualifizierte und besser bezahlte Arbeiten. Die internationale Handelspolitik stehe dem aber entgegen, da Handelsverträge häufig darauf abzielten, unverarbeitete Rohstoffe zu bevorzugen. Martina Neuwirth pflichtete dem bei: Um aus dem eigenen Rohstoffreichtum zu profitieren, sei es auf nationaler Ebene essentiell, profitable Vertragsverhandlungen zu führen und die Steuerverwaltung zu stärken. International komme es darauf an, bestehende Transparenzinitiativen auszubauen und Maßnahmen gegen (legale) Gewinnverschiebungen zu setzten. Wolfgang Ernst ergänzte diese Punkte um den verbesserungswürdigen Umgang mit Spekulanten, die von dem internationalen Rohstoffmarkt profitierten.

Dass sich die Problematik der Internationalen Rohstoffpolitik nicht an einem Abend klären lässt, zeigten die in der Diskussion vom Publikum aufgeworfenen Fragen – unter anderem die nach der praktischen Umsetzung einer „gerechteren“ Rohstoffpolitik. Ein möglicher Schritt, so Karin Küblböck, sei es, das Geld, das durch die jährlich steigenden Erdölpreise eingenommen wird, in einen Fond einzuspeisen, durch den dann in alternative Energiequellen investiert wird. Wolfgang Ernst hielt dem Vorschlag entgegen, dass er die Komplexität des derzeitigen Systems verkenne und bekräftigte, es seien nicht die Rohstoffe, die Konflikte kreierten, sondern die Menschen. Somit liege die Lösung weniger auf Ebene der Ressourcen selbst, sondern erfordere gesellschaftliche Ansätze.

 

 

 

Von Charlotte Kottusch

 

Die Autorin ist Mitglied im Redaktionsteam des Paulo Freire Zentrum. Reaktionen bitte an redaktion@pfz.at

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